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2. Interpretation


Allgemeines zur Interpretation

Bei der Analyse eines Films können verschiedenste Interpretationshypothesen verfolgt werden. Diese Interpretationshypothesen können anhand der Story* und/oder der filmtechnischen Mittel des Films belegt werden.
Wichtig bei der Belegung der jeweiligen Interpretationshyptothese ist, dass sie stets korrigierbar ist. Würde die Interpretationshypothese feststehen und nicht anpassbar sein bestünde die Gefahr, dass in Zuge der Analyse Beispiele aus dem Film selektiert werden um die feststehende Hypothese zu begründen. Eine korrigierbare Hyptohese hingegen stellt sicher, dass nicht die ausgewählten Beispiele, sondern die Hyptohese angeglichen wird.

Die 2. Interpretationshypothese

Die zweite Interpretationshypothese fokussiert die filmtechnische Umsetzung des Films und behandelt die vermittelte Story nur in ihren Grundzügen. Das bedeutet, dass sich die Formalanalyse, die die zweite Interpretationshypothese belegt, größtenteils auf die Mise-en-scene, die Cinematographie und das Editing des Films stützt. Die erste Interpretationshypothese wird anhand einer Formalanalyse der Story belegt werden.

Die zweite Interpretationshypothese lautet: "Die filmtechnische Umsetzung des Event- und Actionkino der heutigen Zeit hat negative Auswirkungen auf die Rezipienten. Aus diesem Grund sollte die filmtechnische Umsetzung wieder authentischer werden, wie es im Erzählkino der Fall ist".

Der Film repräsentiert die Ansicht, dass das Event- und Actionkino der heutigen Zeit nicht dem wahren Charakter des Films entspricht. Diese Filme zeichnen sich vor allem durch schnelle Cuts, Actionlastigkeit und Effektüberladenheit aus. Da dieses Genre in "Das letzte Kino der Welt" durch die zerstückelten, eine Sprachkrankheit hervorrufenden Filme dargestellt wird, schreibt der Film ihm eine negative Wirkung zu. Der Film "Das letzte Kino der Welt" wurde im Gegensatz zu den negativ proklamierten Filmen des Action- und Eventkinos authentisch und realitätsnah produziert.

Die Hypothese soll im Folgenden bewiesen werden. Hierbei wird zunächst das Editing des Films ansich und das der im Film gezeigten, zerstückelten Filme miteinander verglichen.
Anschließend wird der Anspruch des Films an sich auf Authentizität anhand der Mise-en-scene und der Cinematographie herausgestellt.

 

Belegung der zweiten Interpretationshypothese

Editing Mise-en-scene Cinematographie

 

 

Editing

Das Editing im Film "Das letzte Kino der Welt" kann auf zwei Ebenen betrachtet werden. Zum einen auf der Ebene des Films an sich und zum anderen auf der Ebene der im Film gezeigten, zerstückelten Filme im Kino von Rio Pico.
Die Schnitte im Film an sich sind schlicht gehalten und desorientieren den Zuschauer nicht. Die Schnittfolge unterstützt die Kontinuität des Films und gewährleitstet, dass der Rezipient ohne weiteres dem Storyverlauf folgen kann. Die Komposition der Shots in den zerstückelten Filmen hingegen, welche das Event- und Actionkino repräsentieren, wirkt stark desorientierend.


Soledads Unfall vor der Ankunft in Rio Pico

Diese Szene zeigt den Unfall Soledads auf dem Weg durch die argentinische Einöde. Das hier verwendete Schnittmuster unterstützt die Kontinuität der Handlung und sorgt dafür, dass der Zuschauer sich räumlich orientieren kann. Zunächst wird mit Hilfe einer Totalen Einstellung ein Establishing Shot realisiert, der das Auto von hinten auf die Brücke fahrend zeigt. Dieser Establishing Shot gibt somit dem Zuschauer einen Überblick über die Situation. Es folgt eine weitere Totale, die die Situation von der Seite (unter Einhaltung der 180Grad-Regel) zeigt. Diese Einstellung wird zu einem Standbild. Die verwendeten Standbilder haben keine dramaturgische Bedeutung, sondern liefern lediglich mehr Zeit für das gesprochene Wort aus dem Off. Die dritte Perspektive zeigt den Unfall aus einer noch entfernteren Position und sorgt damit für einen abgerundeten Überblick. Abschließend kann festgehalten werden, dass die Zusammenstellung der drei Einstellungen die räumliche Kontinuität aufrecht erhält.

 


Filme aus dem Kino von Rio Pico

Das Editing der im Kino von Rio Pico gezeigten Filme unterscheidet sich sehr stark von dem des Films an sich. Der erste Shot in diesem Beispiel zeigt einen Mann eine Treppe hinauf gehen. Die folgende Einstellung zeigt eine sich schließende Tür woraufhin eine Frau gezeigt wird, die eine Tür öffnet durch die der Mann von der Treppe hinein kommt. Daraufhin folgt ein sehr kurzer Over-The-Shoulder-Shot, welcher gegen die 180Grad-Regel verstößt. Im Anschluss verlässt der Mann wieder den Raum und der nächste Shot zeigt eine rückwärts ablaufende Restaurantszene. Im Folgenden wird ein Tanzpaar und das Öffnen einer Sektflasche gezeigt. Der nächste Shot zeigt eine Explosion auf einer Straße und daraufhin wird eine rückwärts ablaufende Szene gezeigt, in der ein Mann von einem Baum ins Wasser fällt.
Die Komposition der beschriebenen Shots weist weder eine räumliche noch eine zeitliche Kontinuität oder einen inhaltlichen Zusammenhang auf, wodurch der Zuschauer stark desorientiert wird.

In Hinsicht auf die Interpretationshypothese zeigen die beiden ausgewählten Beispiele, dass der Film "Das letzte Kino der Welt" für den Zuschauer verständlich komponiert ist. Es wird stets die räumliche und zeitliche Kontinuität aufrecht erhalten.
Die zerstückelten Filme aus dem Kino stehen im deutlichen Gegensatz hierzu. Sie können aufgrund ihrer Komposition keinerlei Kontinuität aufrecht erhalten und desorientieren den Zuschauer somit sehr stark.

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Mise-en-Scene

Bildform Setting/Location Licht und Farbe

 

Bildform

Die Bildform des Films ist geschlossen. Jedoch wirkt sie im Vergleich zu anderen Filmen nicht zu hundert Prozent vordefiniert und bis ins Detail durchgeplant. Wie sich in der weiteren Analyse der Mise-en-Scene zeigen wird, bestehen Freiräume in der Gestaltung.

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Setting/Location

Seinen insgesamt sehr natürlichen Charakter erlangt der Film durch den tatsächlich existierenden Schauplatz, das argentinische Dorf Rio Pico und den Aufnahmen der ungekünstelten Umgebung des Ortes. Es ist davon auszugehen, dass keine Aufnahmen in einem Studio produziert oder gar künstliche Kulissen eingesetzt werden.

Ein Haus in Rio Pico
Die argentinische Landschaft um Rio Pico

Der komplette Film spielt in diesem einen Ort. Daher gibt es nur Locationwechsel zwischen den einzelnen Häusern der Bewohner, Plätzen im Ort und dem Kino. Alle Schauplätze sind authentisch und wirken wie aus dem wahren Leben gegriffen.

In Marias Garten
In Marias Küche

Die unverfälschte Natürlichkeit sorgt dafür, dass der Zuschauer die dargestellte Geschichte als real empfindet und sich schnell in die Lebenswelt der Akteure hineinversetzen kann.

In der Mitte des Films werden eine Minute lang ausschließlich Aufnahmen des wirklichen Dorfes gezeigt. Bei den Menschen, die hier gefilmt werden, handelt es sich um die Bewohner Rio Picos, nicht um Schauspieler.


Impressionen aus dem realen Rio Pico

Dieser Part soll endgültig klarstellen, dass es den Ort gibt und somit den Realbezug des Films untermauern.

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Licht und Farbe

Die Natürlichkeit zieht sich wie ein roter Faden durch den Film. Die gegebenen Licht- und Schattenverhältnisse werden nicht verändert.
Es werden keine Scheinwerfer eingesetzt, weder zum Erhellen von Räumen, noch zum Ausleuchten von Gesichtern.

Tardinis Rückkehr aus der Gefangenschaft
Soledads Ankunft in Marias Pension

Das Resultat ist, dass der Zuschauer in einigen sehr dunklen Szenen kaum etwas erkennen kann. Durch dieses filmische Mittel wird die Authentizität des Films unterstützt.

Ein Farbfilter wird über den kompletten Film gelegt und verstärkt so die eh schon warmen Farbtöne, die den Film dominieren.  

Wexleys erster Morgen in Rio Pico
Die glücklichen Paare

Soledad übt für die Wochenschau

Farbpalette warmer Farben

 

Durch die warmen Farbtöne wird eine persönliche, gemütliche Atmosphäre geschaffen, die natürlich und lebendig zugleich wirkt. Dies sorgt dafür, dass der Zuschauer dem Geschehen auf der Leinwand noch näher kommen kann.

Es sind zwei Ausnahmen festzustellen.
Erstens die Aufnahmen im Projektionsraum des Kinos. Passend zu den Kühlern die aufgestellt werden, um die Filmvorführung zu sichern, wird auch die Farbgebung der Szene angepasst.


Der Projektionsraum

Zweitens die Aufnahme der Fernseher am Ende des Films. Während Wexley und die anderen sich ihren fertigen Film im Kino ansehen werden die restlichen Dorfbewohner nicht mehr als Personen gezeigt. Man sieht nur noch die Fenster ihrer Häuser, die allesamt von dem Flackern der Fernseher erleuchtet werden. Dieses blaue Licht vermittelt, im Gegensatz zu den sonst warmen Farben, eine kühle Distanz, wodurch die Parzellierung und Gleichschaltung der Menschen unterstrichen wird.


Darstellung der Fernseher

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Cinematographie

Einstellungsgrößen Kamerabewegungen

 

Einstellungsgrößen

Im letzten Kino der Welt werden alle gängigen Einstellungsgrößen verwendet.
Zu Beginn des Films werden mehrere aufeinanderfolgende weite Einstellungen genutzt, um die Größe des Landes und die Abgeschiedenheit des Dorfes deutlich zu machen. Im Folgenden findet diese Einstellungsart immer dann Verwendung, wenn gezeigt werden soll, wie fern ab Rio Pico von jeder Zivilisation liegt.

Die argentinische Landschaft um Rio Pico
Rio Pico

Auffällig sind ebenfalls die halbnahen Einstellungen. Hierbei befinden sich die handelnden Akteure im Vordergrund, wodurch sie die komplette Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dieser Effekt wird oft dazu genutzt um Gespräche zwischen mehreren Charakteren darzustellen. Hierbei sind die Mimik und Gestik aller Beteiligten gleichzeitig erkennbar, wodurch zwischenmenschliche Beziehungen greifbarer gemacht werden. Es ist vorstellbar, dass ein Schuss-Gegenschussverfahren nicht angewendet wird, um keine unnötige Hektik hervorzurufen.

Wexleys erster Morgen in Rio Pico
Hochzeit von Soledad und Pedro

Große Einstellungen zeichnen sich dadurch aus, dass lediglich das Gesicht eines Akteurs gezeigt wird und die Umgebung vollständig an Bedeutung verliert. Besonders in persönlichen und ergreifenden Momenten wird diese Einstellung genutzt.

Tardini berichtet von Gefangenschaft
Maria erzählt von ihrer Vergangenheit

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Kamerabewegungen

Die Kamera ist fast ständig in Bewegung. Mit einer professionellen Amateurhaftigkeit folgt sie den Handlungen der Schauspieler. Dies äußert sich in oft verwackelten Schwenks, Zooms und Kamerafahrten. Trotz der fehlenden Genauigkeit in der Umsetzung wird deutlich, dass eben genau dieser Stil erwünscht ist um dem Film seinen authentischen Charakter zu verleihen. Es wird erreicht, dass die Lebendigkeit der Charaktere und die Beschaulichkeit des Ortes durch die ebenfalls lebhafte, aber zugleich ruhige Kameraführung unterstrichen werden.


Soledad auf dem Weg in Marisa Pension


Maria im Gespräch mit Maria

Genau dieser Effekt wird gebrochen als sich das liebenswürdige, gemeinschaftliche Dorf durch den Einzug des Fernsehens in einen Ort von Fernsehguckern wandelt. An Stelle der lebhaften Kamerabewegungen treten nun statische Einstellungen der vom Fernseherflimmern erleuchteten Fenster.


Darstellung der Fernseher

 

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* Bei der Analyse von Filmen ist eine Unterscheidung zwischen Story und Plot des Films zu treffen. Der Plot eines Films umfasst alle expliziten (sichtbaren und hörbaren) Ereignisse im Film. Hierzu gehören auch storyfremde Elemente wie Zwischentitel, Stimmen und Sounds aus dem Off und Untertitel. Die Story umfasst den Plot sowie die implizieten (vom Rezipienten ergänzten) Elemente. Bordwell und Thompson beschreiben das Zusammenspiel von Plot und Story folgendermaßen: "We create the story in our minds on the basis of cues in the plot." (Bordwell/Thompson 2001, 62 *).

*Bordwell, David und Thompson, Kristin (2001): Film Art: An Introduction. Wisconsin: The McGraw-Hill Companies, Inc., 5. Edition.

 

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